Wie Pferde behinderten Menschen helfen
Reittherapie hilft in allen Lebenslagen
Inklusion: Der VKM Regensburg bietet mit drei eigenen Pferden Therapeutisches Reiten an. Etwa 50 Personen jeden Altes erfahren Förderung und Lebensfreude.
Regensburg/Wolfsegg. Emma ist jetzt knapp vier Jahre alt. Bereits seit fast zwei Jahren kommt das Mädchen mit Down-Syndrom jede zweite Woche zum Therapeutischen Reiten, das der Verein für körper- und mehrfachbehinderte Menschen (VKM) auf dem Reiterhof Uhl in Schwarzhöfe bei Wolfsegg anbietet. „Das heilpädagogische Reiten hat unserer Tochter wahnsinnig gut getan“, erzählt freudestrahlend Emmas Mutter. Sie berichtet von großen Fortschritten des geistig behinderten Mädchens mit Entwicklungsverzögerungen. Besonders auch sprachlich lernt die kleine Emma im Umgang mit dem Pferd überraschend viel dazu. Weltweit ist übrigens eines von 700 neugeborenen Kindern von Trisomie 21 betroffen. In Deutschland leben also vermutlich 30 000 bis 50 000 Menschen mit Down-Syndrom.

Teresa reitet seit 27 Jahren
Teresa ist jetzt 31 Jahre alt. Seit 27 Jahren kommt sie fast jede Woche im Sommer wie im Winter regelmäßig zum Reiten beim VKM. Wegen einer schweren Erkrankung in der dritten Lebenswoche ist die frühgeborene Teresa schwer geistig behindert und im muskulären Bereich eingeschränkt. Die einen Meter und 85 Zentimeter große junge Frau hat oft Angst vor dem Aufsteigen auf das Pferd. Aber sie will reiten und überwindet – mit Unterstützung kompetenter Fachkräfte – ihre Angst. Stolz trabt, ja sogar galoppiert sie dann mit Nathan ihre Runden in der Reithalle. Interessiert und aufmerksam befolgt sie die Anweisungen der speziell ausgebildeten Pädagogin. Und nach der Reitstunde strahlt Teresa über das ganze Gesicht, ist deutlich lebhafter als zuvor, ihre Haltung ist deutlich aufrechter und sie wirkt selbstbewusster. Oft will sie noch länger bei den Pferden auf dem Reiterhof bleiben.
Drei speziell ausgebildete Pferde
Etwa 50 mehr oder weniger schwer behinderte Menschen jeden Alters nehmen regelmäßig an den Therapieangeboten mit Pferden des VKM Regensburg teil. Unter den Patienten sind auch Menschen mit Schwierigkeiten im psychischen oder sozialen Bereich. Derzeit hat der Verein drei speziell ausgebildete eigene Pferde zur Verfügung, berichtet Vorsitzende Christa Weiß. Große Anstrengungen und viel ehrenamtlicher Einsatz sei nötig, um das Reiten zu einem für möglichst viele erschwinglichen Preis anbieten zu können. Eine vom VKM bezuschusste Therapieeinheit von 30 Minuten kostet derzeit 22 Euro. „Um alle Kosten decken zu können, von der Stallmiete, dem Futter und dem Tierarzt oder Hufschmied für die Pferde bis zum Honorar für die ausgebildeten Fachkräfte, müssten wir mindestens das Doppelte verlangen“, berichtet die VKM Vorsitzende. Aber dann könnten sich das eben viele nicht mehr leisten. Auch die Verwaltung und Abrechnung der Therapien erfolgt beim VKM komplett ehrenamtlich. „Die umfangreichen Arbeiten sind auf viele Schultern verteilt und werden gewissenhaft und zuverlässig erledigt“, freut sich Vorsitzende Christa Weiß.
Ohne Spenden nicht möglich
So muss sich der VKM mit vielen engagierten ehrenamtlichen Mitarbeitern um Einnahmen und Spenden kümmern. Einnahmen erzielt der VKM aus den Kursgebühren für die reittherapeutischen Maßnahmen und für Ferienreitkurse für Kinder, aus Mitgliedsbeiträgen und aus verschiedensten Aktionen wie etwa Ponyreiten, Kaffee- und Kuchenverkauf sowie Grillstand bei den MZ Kinderbürgerfesten und Bürgerfesten oder Benefizkonzerten und Lesungen. Und ohne Spenden von Vereinen, Firmen und Privatpersonen wären all die Maßnahmen nicht zu organisieren. Ein bedeutender Beitrag sind auch Einnahmen aus Strafen vor Gericht.
Standort für neues Reittherapiezentrum
Dabei sind die Angebote mit Pferden für behinderte wie für gesunde Kinder wie Erwachsene bei Therapien wie bei inklusiven Maßnahmen so hilfreich und notwendig, weiß die Vorsitzende aus vielen Jahren Erfahrung und unzähligen Rückmeldungen von Patienten und Teilnehmern. Um die anspruchsvollen Aktionen mit Pferden und anderen Tieren im notwendigen Umfang und Umfeld anbieten zu können, will der VKM ein Zentrum für tiergestützte Therapien errichten. Ein geeignetes Grundstück ist nach mehr als zehn Jahren intensiver Suche in einer Stadtrandgemeinde von Regensburg gefunden. Allein die dafür notwendige Bauleitplanung nimmt noch etwas Zeit in Anspruch. „Wir hoffen, dass wir im Frühjahr vermelden können, der Weg ist nun frei“, ist Christa Weiß zuversichtlich.
Noch nie so viel und so klar gesprochen
Und dann werden sich noch mehr Eltern von behinderten Kindern über unerwartete Aha-Erlebnisse freuen können wie Emmas Mutter: „ Vor kurzem wollte Emma nicht aufs Pferd, sie wollte nicht reiten“, erzählt Emmas Mutter. Aber die vierjährige Emma „wollte unbedingt selbst das Pferd führen. Und Emma hat dem Pferd ganz klare Anweisungen gegeben zum Losgehen oder Stehenbleiben. Emma hat noch nie so viel und so klar gesprochen“, freut sich ihre Mutter. Sie kann nur Positives berichten vom heilpädagogischen Reiten. Und „ganz spitze“ findet sie den ganzheitlichen Ansatz von Ursula Wiendl, die das Therapeutische Reiten beim VKM Regensburg leitet. Die Diplompädagogin Univ. ist als Reittherapeutin beim Deutschen Kuratorium für Therapeutisches Reiten (DKTHR) qualifiziert, ist Trainerin B und hat eine Zusatzausbildung für Reiten als Sport für behinderte Menschen, hat Qualifikationen als Gestalttherapeutin und ist NLP-Master (DVNLP).
Der VKM und seine Angebote
Gründung: Der Verein für körper- und m ehrfachbehinderte Menschen wurde 1969 als eine Elterninitiative gegründet. Der VKM Regensburg hat derzeit 130 Mitglieder. Vorsitzende ist Christa Weiß, Stellvertreterin Sandra Roggenbuck.
Initiator: Der Verein hat das Pater-Rupert-Mayer-Zentrum und das Kinderzentrum in Regensburg initiiert sowie das Projekt „W.I.R. Wohnen Inklusiv Regensburg“ über viele Jahre maßgeblich mit vorbereitet und auf den Weg gebracht.
Angebote: Der VKM organisiert regelmäßige therapeutische Angebote mit Pferden für etwa 50 Personen im Altern von zwei bis über 70 Jahren. Der VKM ist für behinderte Menschen und deren Angehörige Ansprechpartner und vermittelt notwendige Hilfen und Fachangebote.
Jugendgruppe: Ein besonderes Angebot ist die Freizeitgruppe Herkules, die sich etwa zehn Mal im Jahr trifft und gemeinsam aktiv Freizeit gestaltet. Im Frühjahr soll eine neue inklusive Gruppe für behinderte und nicht behinderte Jugendliche ab etwa zwölf Jahren starten.
Finanzierung: Der VKM benötigt jedes Jahr etwa 20 000 Euro Einnahmen, um das umfangreiche und qualifizierte Angebot zu finanzieren. Ohne Spenden ist das nicht zu bewältigen, betont die Vorsitzende.
Text und Fotos: E. Weiß
Und hier geht es zum Bericht in der Mittelbayerischen Zeitung
Und hier die MZ-Seite als PDF-Datei:vkm-th-reiten-mz-18-01-04