Über 150 Teilnehmer beim ersten Regensburger Symposium für Therapeutisches Reiten
Am 25. September 1999 veranstaltete der Verein für Körper- und Mehrfachbehinderte e. V. Regensburg anlässlich seines 30-jährigen Bestehens in Zusammenarbeit mit dem Katholischen Bildungswerk Regensburg das erste Symposium für Therapeutisches Reiten im bayerischen Raum. Vereinsvorsitzende Maria Hausschild konnte dazu über 150 Therapeuten und Betroffene, Mediziner, Psychologen und Vertreter verschiedenster medizinischer und therapeutischer Einrichtungen begrüßen. Hauschild hob das Anliegen des Vereins hervor, Therapeutisches Reiten einem breiten Publikum bekannter zu machen und dazu beizutragen, dass es als anerkannte Therapie ihre Eigenständigkeit erhält.
Dr. Wolfgang Götzfried, Vorsitzender des Katholischen Bildungswerkes, freute sich als Mitveranstalter über „hochqualifizierte Referenten, die eine große Anzahl von Fachleuten, Vertretern von Einrichtungen und Betroffene ansprechen können“.
Schirmherr der Tagung war Landrat Rupert Schmid.
Bürgermeister Gerhard Klier von Pentling brachte zur Begrüßung einen Scheck über 200 Mark für die Aktivitäten des Vereins mit.
Privatdozent Dr. Thomas Rommel, Chefarzt der Neurologisch-Neurochirugischen RehaNova-Klinik in Köln und 1. Vorsitzender des Deutschen Kuratioriums für Therapeutisches Reiten, referierte zum Thema „Indikation und Kontraindikation zur Hippotherapie aus fachärztlicher Sicht“. Hippotherapie, als eine Form des Therapeutischen Reitens erziele gute Effekte bei der Förderung der Muskelkoordination, bei der Wahrnehmungsschulung und Informationsverarbeitung, um nur einige Beispiele zu nennen. „Hippotherapie ist Krankengymnastik auf dem Pferd und hat mit dem Reiten nichts gemeinsam außer dem Medium Pferd.“ Wichtig dabei sei, dass die Therapie von einem Arzt verordnet sein müsse und von ausgebildeten Therapeuten durchgeführt werde. Die Therapie eignet sich für viele Krankheitsbilder, doch müssen Kontraindikationen berücksichtigt werden. Ziel müsse es dabei immer sein, „die Alltagsfunktionen zu fördern und so mehr Lebensqualität für den Patienten zu schaffen“.
Peter Holzmüller, leitender Pysiotherapeut der krankengymnastischen Abteilung der Neuropädiatrie des Behandlungszentrums Vogtareuth sprach zum Thema „Hippotherapie als Bestandteil der neuropädiatrischen Rehablitation“. „Gerade bei Langzeitbehandlungen treten oft Ermüdungserscheinungen ein“. Sowohl beim Patienten als auch beim Therapeuten könne die nötige Motivation fehlen, die Therapie qualifiziert weiterzuführen. Gerade hier könne Hippotherapie „mit dem Medium Pferd als lebendiges, ansprechendes Wesen“ erstaunliche Erfolge verzeichnen. Bei der Durchführung von Hippotherapie sollten auch andere Behandlungsziele, wie z. B. die Logopädie und die Ergotherapie, integriert werden.
Dr. Ingrid Strauß, Fachärztin für Allgemeinmedizin und Leiterin des Hippotherapiezentrums Straußenhof, Waakirchen, referierte zum Thema „Therapeutischer Bewegungsdialog Mensch – Pferd“. Einleitend wurde dargestellt, dass die komplexen therapeutischen Wirkungen des Pferdes über die Kommunikation des Menschen mit seiner Bewegung, mit seinem Körper und mit seinem Wesen entstehen. „Ein Großpferd überträgt im Schritt ca. 110 mehrdimensionale Schwingungsimpulse auf den Reiter“, stellt Dr. Ingrid Strauß fest. Der Patient reagiert auf diese Bewegungsimpulse und erzielt somit Verbesserungen im neuromotorischen, sensomotorischen und psychomotorischen Bereich. „Hippotherapie erzielt ihre Behandlungserfolge über eine Ganzbehandlung, das ganze Pferd für den ganzen Menschen!“
Diplom Sozialpädagogin Claudia Pauel, Leiterin des Zentrums für Therapeutisches Reiten e. V. Köln Porz, sprach zum Thema „Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren als Baustein der Verhaltenstherapie“. Unter dem Begriff Heilpädagogisches Voltigieren und Reiten würden pädagogische, psychologische, psychotherapeutische, rehabilitative und soziointegrative Angebote mit Hilfe des Pferdes bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit verschiedenen Behinderungen oder Störungen zusammengefaßt. Dabei stehe nicht die reitsportliche Ausbildung, sondern die individuelle Förderung über das Medium Pferd im Vordergrund; d. h. vor allem eine günstige Beeinflussung der Motorik, der Wahrnehmung, des Lernens, des Befindens und des Verhaltens. Das Pferd rücke Bewegungs-, Körper- und Sinneserfahrungen unmittelbar in den Vordergrund. Das Pferd eröffne den Zugang zum Bewegen, Bewusst–Sein, Angesprochen-Sein. „Wie bei keinem anderen Medium ist es möglich, dass der Pädagoge sich ein Stück aus dem Mittelpunkt zurückziehen kann und muss, wenn er sich mehr als Vermittler für die Selbsterfahrung mit dem und auf dem Pferd und der Gruppe untereinander fühlt.“
Dr. Dr. Michaela Scheidhacker, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie am Bezirksklinikum Haar bei München, sprach zum Thema „Die Wirksamkeit Therapeutischen Reitens bei der Behandlung chronisch-schizophrener Patienten“. „Das Pferd ist ein Beziehungspartner mit nonverbalem Kommunikationsmodus.“ Es sei dadurch gerade für schizophren erkrankte Menschen bezüglich deren Schwierigkeiten bei Kontaktaufnahme und –gestaltung bedeutsam: Das Pferd reagiere auf der Körper- und Beziehungsebene unmittelbar und direkt und fördere so die sensible Wahrnehmung eindeutiger Signale. Gleichermaßen fordere das Pferd aber einfühlsame Willensstärke, die es bei adäquater Ausbildung mit Folgsamkeit belohne. „Durch die Auseinandersetzung mit dem Pferd können schizophrene Menschen Ich-Stärke und natürliche Abgrenzungsfähigkeit entwickeln.“
Auf dem Reiterhof Pernpainter in Buch bei Hausen fand als Abschluß der Tagung eine Demonstration des Therapeutischen Reitens bei verschiedenen Krankheitsbildern statt. Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren wurden, geleitet von Marion Tosolini (Therapeutin für Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren), an einer Kindergartengruppe aus Irlbach und an einer Gruppe aus dem Kinderheim St. Vinzenz, Regensburg, demonstriert. Die Zuschauer konnten erleben, wie viel Spaß und Freude Kinder bei der Therapie haben können. Hippotherapie stellte Barbara Erlwein (Therapeutin für Hippotherapie) an einer Patientin mit Tetraparese (Spastik) vor. Obwohl es für das Mädchen große Anstrengung bedeutete, auf das Pferd zu kommen und auf dem Pferd zu sitzen, war die Freude, die das Mädchen bei und nach der Therapie ausstrahlte, beeindruckend.
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